Süddeutsche Zeitung: "Wer sagt eigentlich, dass der Profisport nur noch in Event-Arenen funktioniert?" [2]

  • [Fortsetzung von Thread 1]


    Wenn man wissen will, welche Bedeutung Eishockey für Landshut vielleicht noch mal haben kann, muss man mit Rainer Beck reden.
    Schloder und Kühnhackl verkörpern die Vergangenheit des EVL, Beck verkörpert Gegenwart und Zukunft: Ein kräftig gebauter Mann mit Kurzhaarschnitt, ein Landshuter, der mit Immobilien reich geworden ist, sein Büro liegt am Münchner Viktualienmarkt, in Bestlage, so heißt das in seiner Branche. Aber darüber, seine Branche, redet er nicht gern, es gab negative Presse in letzter Zeit, seine Firma gilt als manchmal allzu durchsetzungswillig, was den Umgang mit Mietern angeht. Rainer Beck ist das auch, durchsetzungswillig, er spricht regelmäßig mit dem Trainer, vor Spielerverpflichtungen führt er meist ein Einzelgespräch mit dem Kandidaten, er mischt sich ein, und beim EVL mögen sie gerade das an ihm: dass er keiner ist, der das Geld gibt und sonst nichts. Dass er teilnimmt am Alltag, ihrem Alltag.
    Beck gefällt sich in der Rolle des niederbayerischen Machers, er sagt gerne Griffiges, zum Beispiel: "Der Schmerz ist wichtiger als die Freude." Er sagt auch: "Entweder du hast a Kreuz oder du hast koans", es ist eine Art Leitmotiv für ihn. Er mag Menschen mit Rückgrat, so könnte man das vorsichtig auf Hochdeutsch formulieren.
    In Landshut waren sie skeptisch, als Beck 2011 einstieg. Beck wollte mal bei 1860 München einsteigen, aber 1860 wollte nicht, und dann rief ihn der damalige Geschäftsführer Bernd Truntschka an und fragte, ob er Anteile am EVL übernehmen wolle. "Entweder alle oder gar keine", sagte Beck, seitdem ist er der mächtigste Mann in Landshut, gleich nach dem Oberbürgermeister. Oder davor, je nach Sichtweise.
    Als Beck kam, war der EVL längst nicht mehr der EVL, zu dem auch Rainer Beck als Kind ins Stadion ging. In den 1980ern hatte der Klub Mühe, mitzuhalten mit den Großkopferten aus Köln und Düsseldorf, die Schulden betrugen 2,7 Millionen Mark, und hätte Weißwasser nicht die Lizenz verloren, wäre der EVL 1990 abgestiegen. 1994 gründete sich die Deutsche Eishockey-Liga DEL, mit Landshut, trotz Warnungen: Die DEL sei eine Augenwischerei, sagte Schloder. Die DEL wollte sein wie das Eishockey-Wunderland Amerika, und weil die Klubs dort nicht EV oder TSV heißen, sondern Ducks und Rangers, empfahl die Liga den Klubs, sich Beinamen zuzulegen. Der EVL hieß dann Landshut Cannibals.
    Die Cannibals waren zunächst erfolgreich: Mit Spielern wie Wally Schreiber, Petr Briza und später auch Mike Bullard kamen sie in den ersten vier Jahren stets mindestens ins Halbfinale, im ersten Jahr gar bis ins Finale. Im fünften Jahr scheiterten sie im Viertelfinale, die Schulden waren größer geworden, bis der EVL nur noch einen Weg vor sich hatte: den des Lizenzverkaufs an den US-Milliardär Philip Anschutz. Team und Geschäftsstelle zogen über München nach Hamburg und heißen nun Freezers, der EVL begann neu in der Oberliga. Übrig blieb der Name: Cannibals.
    "Der EVL war nie die Cannibals", sagt Alois Schloder.
    "Schau'n Sie", sagt Rainer Beck und nimmt einen Aschenbecher, der vor ihm am Tischrand steht, "der Aschenbecher gehört da hin und nicht dort drüben", er hebt ihn hoch, "also hab' ich ihn wieder da hingestellt, wo er stehen soll." Beck hat in diesem Jahr durchgesetzt, dass die Cannibals nach knapp 20 Jahren begraben werden, er hat das Logo austauschen lassen, den Beinamen gestrichen. Er hat eine örtliche Werbeagentur mit der Erschaffung einer neuen, alten Identität beauftragt, sie haben jetzt einen Slogan, er lautet "Kampfgeist und Zusammenhalt - Mia san EVL", sie haben Fotos, auf denen die Spieler grimmig schauen, wie Krieger vor der Schlacht, und überall stehen Sprüche wie: "Die Scheibe fliegt nur in eine Richtung!", oder "Mia haun's alle aufs Eis!" Nicht alles ist gelungen, und es gab auch Fanklubs, die gegen die Abschaffung der Cannibals protestierten, die Mehrheit aber begrüßte die Rückkehr zum Logo mit dem Stadtwappen. Weil das die Gegenwart ja am besten abbildet: die Gegenwart eines Vereins, der an der Schwelle zur eigenen Vergangenheit steht.
    In der Tabelle der DEL2 steht der EVL aktuell im Zweikampf um Platz eins mit Rosenheim, noch so ein Eishockeyriese, den die Zeit geschrumpft hat. Der Zweitligatitel ist ein realistisches Saisonziel, es wäre der zweite nach 2012. Und - die DEL?
    Es gibt derzeit keinen Aufstieg aus der DEL2 in die DEL, jedenfalls keinen geregelten, weshalb die Antworten auf diese Frage so zurückhaltend wie möglich ausfallen:
    "Die DEL muss unser Ziel sein, aber es ist schwer", sagt Christian Donbeck, ein früherer Zweitliga-Eishockeyprofi und Bayernliga-Fußballer, den Beck vor dieser Saison auf den Posten des EVL-Geschäftsführers holte. Die Umtriebigkeit strömt ihm aus allen Poren, gerade hat er den Plan aufgestellt, die Eishalle auch im Sommer nutzen, für Boxkämpfe und Konzerte, fast so wie früher, als Schloder noch im Sportamt saß und die Backstreet Boys gegen die miese Akustik ansangen.
    Mit einer neuen Lautsprecheranlage sagt Beck, erfülle die Halle die Anforderungen der DEL, das Dach hält laut Gutachten noch vier Jahre. "Vielleicht bin ich altmodisch", sagt Beck, "aber mir gefällt die Halle", seinem Ziel stünde die alte Halle jedenfalls nicht im Weg, und das Ziel ist die DEL, "natürlich", sagt Beck. Für wann? Beck will sich auf nichts Konkretes einlassen, überlegt, "ich sag' mal so", sagt er dann "wir sind ready for takeoff".
    "DEL wär' schön", sagen Kühnhackl und Schloder, ganz vorsichtig. Die Kühnhackls und Schloders von heute heißen Riley Armstrong oder Cody Thornton, zuverlässige Scorer in der zweiten Liga - aber in der ersten? Die DEL ist teuer, und nur mit Nachwuchskräften ist da nichts zu gewinnen, wenn gleich die Nachwuchsabteilung des EVL immer noch zu den besten gehört. Es ist sogar so: Das Geld mag von Beck und Sponsoren kommen, das größte Kapital des EVL aber ist sein Nachwuchs. Die Landshuter sind überall, sogar in Amerika. Einer spielt gerade in der AHL, dem Unterbau der US-Profiliga NHL, er gehört zu den besonders vielversprechenden Talenten.
    Er ist Stürmer, 21 Jahre alt und heißt Tom Kühnhackl.

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  • Den Artikel habe ich gestern als relativ miesen Scan aus Deggendorf bekommen, ich weiß nicht, wann er in der SZ war, wahrscheinlich in den letzten Tagen.
    Leider war die komplette Überschrift nicht richtig gescannt (abgeschnitten), aber ich denke, die ist nicht so wichtig...

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