LZ vom 02.04.2015: Napoleon und der begossene Pudel

  • Napoleon und der begossene Pudel
    Landshut gegen Bietigheim - da werden Erinnerungen an die Playoff-Serie 2009/10 wach


    Wie bitte, Bietigheim-Bissingen? In den Hochzeiten des EV Landshut kannten die hiesigen Kufenflitzer die Große Kreisstadt im Landkreis Ludwigsburg allenfalls vom Hörensagen. Oder vielleicht von einem flüchtigen Blick auf ein Autobahn-Ausfahrtsschild an der A 81 kurz hinter Stuttgart bei einem von unzähligen Trips nach Mannheim. Das änderte sich schlagartig, anno domini 2002: Drei Jahre nach dem DEL-Ausstieg und dem Neuanfang in der Oberliga wagten die Landshut Cannibals nach der zweiten Meisterschaft endlich den Sprung in die 2. Bundesliga. Seither haben die Niederbayern die Route ins Neckarbecken im Navi programmiert, nach knapp drei Dutzend Gastspielen in der EgeTrans-Arena finden sie den Weg ins Ellental fast schon mit verbundenen Augen.


    Keine Frage: Duelle zwischen Landshut - egal ob Cannibals oder EVL - und Bietigheim sind immer etwas Besonderes, da werden Erinnerungen wach. Etwa ans Playoff-Viertelfinale in der Saison 2007/08: Die Kannibalen verspeisten die Steelers in einem Fünf-Gänge-Menü mit Haut und Haaren. 3:2, 5:0, 5:2, 1:3 und 2:1 nach Verlängerung. Wieder war's nix mit dem großen Wurf für die ambitionierten SCBB-Macher. Das wollten sie so nicht auf sich sitzen lassen, irgendwie mussten sie ja einen Pfad nach oben finden. Sie heckten im stillen Kämmerlein einen Plan aus und rüsteten massiv auf. Die ungebremste Finanzpower eines schwäbischen Sportwagenherstellers und das allerorten hochgeschätzte Knowhow aus Landshut machten's möglich. Die Spieler folgten in Scharen den Euro-Verlockungen aus der rund 42000 Einwohner zählenden Stadt mit dem Doppelnamen. Ein Jahr später gewannen die Steelers ihren ersten Zweitliga-Titel.


    Die Völkerwanderung vom Semmelknödel-Eldorado ins Spätzle-Paradies machten die Partien zwischen den Erzrivalen noch brisanter und noch emotionaler. Flugs wurde über die "Kannibalen-Filiale" im "Ländle" gespöttelt - kein Wunder. Standen beispielsweise in der Spielzeit 2009/10 mit Andi Geipel, Max Seyller, Alexander Serikow, Heiko Smazal, Dominik Hammer, Brent Walton, Sinisa Martinovic und Cheftrainer Christian Brittig gleich acht mehr oder weniger waschechte Landshuter auf der Gehaltsliste der Schwaben. Das barg Zündstoff für die Doppelrunde und erst recht für die Playoffs.


    Auf dem Eis kämpften die Profis mit Haken und Ösen, bisweilen flogen die Fetzen. Am Rande der Bande verschärfte sich die Tonart ebenfalls. Christian Brittig schwänzte die Pressekonferenzen am Gutenbergweg und stichelte lieber im Hintergrund. Rein sportlich setzte sich Bietigheim in einer engen Viertelfinalserie nach dem Modus "Best of Seven" mit 4:2 Siegen durch: 3:1, 0:1, 5:1, 1:2 nach Verlängerung, 3:1 und 3:2 nach Penaltyschießen. Selten war die Gelegenheit günstiger für einen persönlichen Triumphzug am Ort seiner Eishockeygeburt. Also stolzierte Christian Brittig wie weiland der französische Feldherr Napoleon übers glatte Parkett. Ein paar Tage vorher war er nämlich nach einer - zugegeben ungehörigen - Bierdusche von den hiesigen Fans noch wie ein begossener Pudel davongewatschelt, wutschnaubend und polternd: "Das war unterste Schublade." Mittlerweile haben sich die Wogen längst geglättet. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Steelers andere Bezugsquellen für neue Spieler angezapft haben.


    Ab heute treffen die beiden Konkurrenten erstmals in einem Halbfinale aufeinander. Zwei aktuelle Kufenflitzer waren übrigens auch schon bei der ersten Playoff-Serie mit von der Partie: Justin Kelly und Andi Geipel. Letzterer hat übrigens 2011 den Weg zurück ins Isartal gefunden. Ganz ohne Navi. -ms-


    Aus der Landshuter Zeitung vom 02.04.2015