20 Jahre DEL-Finale EV Landshut gegen Kölner EC

  • 20 Jahre DEL-Finale EV Landshut gegen Kölner EC


    Aus der Traum


    0:4-Heimpleite im fünften Match bringt den EVL am 9. April 1995 um seinen dritten Titel


    Der 9. April 1995 hätte als Sternstunde des EV Landshut in die deutsche Eishockeygeschichte eingehen können. Vor 20 Jahren hatte der EVL die Möglichkeit, in eigener Halle vor 8000 Zuschauern die dritte Meisterschaft perfekt zu machen. Alles war gerichtet: Der Pokal stand bereit, der Sekt war kalt gestellt und der Autokorso durch die Innenstadt geplant. Doch der Traum platzte wie eine Seifenblase. Denn nicht der EVL jubelte an diesem Aprilsonntag, sondern der Kölner EC. Die "Haie" bissen nach 40 torlosen Minuten im Schlussabschnitt viermal zu und schnappten den an diesem Tag im Angriff zahnlosen "Kannibalen" den Titel vor der Nase weg. In unserer Zeitung blicken drei Landshuter Hauptfiguren von damals auf das Spiel zurück.


    Der Präsident:
    Hans Eller


    Dass der EVL 1995 überhaupt um die Meisterschaft mitspielen konnte, war nicht zuletzt ein Verdienst des damaligen Präsidenten Hans Eller: Mit einigen eishockeybegeisterten Unternehmern aus der Region - unter anderen Michael Imhoff - hatte der Immobilienkaufmann Anfang der 1990er Jahre die Regie bei einem sportlich und wirtschaftlich am Boden liegenden Verein übernommen. "Wir hatten mit der Unterstützung von Sponsoren viel in die Mannschaft investiert", erinnert sich Eller. "Deswegen haben wir vor dem fünften Finale alle gehofft, dass es zum ganz großen Erfolg reichen wird." Mit den Stürmern Mike Bullard und Wally Schreiber sowie Keeper Petr Briza habe Manager Max Fedra schließlich auch "drei absolute Weltklasseleute" zum EVL gelotst. "Die Qualität der Spieler war auf jeden Fall vorhanden."
    Das entscheidende fünfte Finale verfolgte Eller von der Tribüne aus. "Sogar nachdem die Kölner im letzten Drittel in Führung gegangen sind, habe ich noch an unsere Chance geglaubt", sagt er. Letztlich aber sei der KEC das glücklichere Team gewesen. "Es hat weh getan, den Gegner im eigenen Stadion feiern zu sehen", so Eller. Der Schmerz sei aber rasch verflogen. Denn: "Die Finalteilnahme war ein super Erfolg, zumal wir In der Playoff-Halbfinalserie gegen Krefeld ja einen 0:2-Rückstand aufgeholt hatten."
    Ellers Eishockeybegeisterung ist auch nach seinem Abschied als Präsident und dem wirtschaftlich bedingten DEL-Ausstieg 1999 geblieben. "Ich bin nach wie vor bei fast jedem Spiel", sagt er. Landshut sei eine Eishockeystadt mit tollen Fans und der Verein ein Aushängeschild. "Den EVL kennt man sogar in Sibirien, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen." Deswegen hofft Eller, dass der Verein irgendwann in die DEL zurückkehren wird.


    Das EVL-Eigengewächs:
    Bernd Wagner


    Er war - neben Stürmer Helmut Steiger und Ersatztorwart Christian Künast - einer von drei gebürtigen Landshutern im Finalteam 1994/95: Bernd Wagner. Der frühere Nationalverteidiger hat nicht vergessen, wer für die Niederlage seines Teams hauptverantwortlich war: "Der Unterschied war letztlich Kölns Stürmer Sergej Berezin. Der hatte in den Playoffs einfach einen unglaublichen Lauf - und hat dann auch in diesem fünften Finalspiel das entscheidende Tor geschossen." Nach exakt 41:18 Minuten netzte der Russe zum 0:1 ein. "Dieses Tor war der mentale Knackpunkt für unsere Mannschaft", so Wagner.
    Nicht wegzudiskutieren ist auch der psychische Druck, der schon vor dem Eröffnungsbully auf den Landshutern lastete. Denn mit dem Heimrecht im Rücken galt der EVL bei Experten, vor allem aber bei den eigenen Fans als Favorit. Das war Wagner und seinen Teamkollegen bewusst. "Wenn ein Spiel lange Spitz auf Knopf steht, kann der Heimvorteil samt der Euphorie und Erwartungshaltung der Fans zur Last und damit zum Nachteil werden", sagt der 50-Jährige. Es bestehe die Gefahr, dass die Spieler den Sieg erzwingen wollen - und dabei verkrampfen. "Das ist wohl auch uns passiert. Dann kann man als Sportler leider nichts mehr dagegen tun. Im Eishockey spielt sich einfach extrem viel im Kopf ab."
    Das bittere Ende der Finalserie gegen Köln ist Wagner noch gut im Gedächtnis. "Die Erinnerungen kommen jedes Jahr wieder hoch, wenn Playoffs sind", gibt er zu. Der Ex-Nationalspieler leidet dann vor allem mit den Vizemeistern. "Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man so weit gekommen ist und doch kurz vor dem Ziel scheitert." All die medialen Floskeln vom "zweiten Sieger" könne ein Sportler dann nicht nachvollziehen. "Man sieht sich in dem Moment nicht als Vizemeister, sondern als großen Verlierer." So sei es ihm und seinen Teamkollegen an diesem 9. April 1995 gegangen.
    Erst ein paar Tage später, nachdem der erste Schock über die Niederlage überwunden war, habe der Stolz über das Erreichte die Oberhand gewonnen. "Gerade die Anerkennung unserer Fans und die Ehrung durch die Stadt in den Tagen nach dem Spiel haben gut getan", sagt Wagner. Im Nachhinein denke er gerne an die Finalserie gegen Köln zurück. "Es war eine tolle Sache, dass wir es bis ins Endspiel geschafft haben." Für den Landshuter war es der Abschied vom Profisport. Wagner beendete im Sommer 1995 seine Karriere und gründete sein eigenes Unternehmen (die in Landshut ansässige BBW-Group), das er heute noch leitet. Eishockey ist allerdings weiter ein Teil seines Lebens. Denn sein Sohn Fabio trat in die Fußstapfen das Vaters. Der 19-Jährige gehört dem Kader des ERC Ingolstadt an, der momentan in der DEL gegen Mannheim um die Meisterschaft kämpft. Für die Familie Wagner könnte sich damit der Kreis schließen. Zumal Peppi Heiß, damals KEC-Goalie, diesmal als Ingolstädter Torwarttrainer "auf der richtigen Seite steht", wie Bernd Wagner lachend sagt.


    Der Landshuter "Hai":
    Tobi Abstreiter


    Auf der richtigen Seite stand vor 20 Jahren einer, der beim EV Landshut alle Nachwuchsmannschaften durchlaufen hat, über den Umweg München dann aber 1995 bei den Kölner Haien aufschlug. Und mit diesen dann beim Finale auf Landshuter Eis triumphieren durfte. "Ich hatte das ganze Spiel über immer das Gefühl: Wer das erste Tor schießt gewinnt. Und so war es dann ja auch", sagt Abstreiter im Rückblick. Mit seinen damaligen Gegnern habe er - gerade als Ex-Landshuter - zwar mitfühlen können. Aber: "Es konnte halt nur einer gewinnen. Und natürlich habe ich alles dafür getan, dass dies die Kölner Haie sein würden."
    Hat er damals eigentlich etwas von seinen niederbayerischen Freunden zu hören bekommen? "Nein, die wussten ja alle, um was es geht - und dass es sich um Profi-Eishockey handelt", sagt Abstreiter. Und überhaupt sei er während der Playoffzeit voll auf die Spiele konzentriert gewesen, Kontakt habe in der Zeit nur zu seiner Familie und zu seinem engsten Freundeskreis bestanden.
    Dem Eishockey ist Tobias Abstreiter, dessen jüngerer Bruder Peter immer noch für den EV Landshut aufläuft, bis heute treu geblieben. Aktuell ist er Co-Trainer bei der Düsseldorfer EG, einem anderen großen Traditionsverein. In diesem Jahr kam für ihn das Aus im Halbfinale gegen Ingolstadt. Aber wer weiß, vielleicht reicht es für die DEG ja schon bald für den großen Wurf - und Tobi Abstreiter kann den Meisterpokal wieder in die Höhe stemmen. Bis dies in Landshut wieder der Fall sein wird, dürfte es wohl noch erheblich länger dauern. Bis dahin bleibt den Anhängern nur die Erinnerung an eine unvergessliche Playoffserie gegen die Kölner Haie im Jahr 1995. -bb/jv-



    Der Schmerz bleibt


    Da stand es, das Objekt der Begierde: der Meisterpokal. Zum Greifen nah war er - und doch sollte er an diesem 9. April 1995 unerreichbar bleiben. Für das EVL-Team um Idole wie Udo Kießling, Petr Briza und Mike Bullard. Für die 8000 EVL-Fans im Stadion. Und für mich persönlich. 17 Jahre war ich damals. Und noch heute, mit 37, tut es weh, an dieses Spiel zu denken.
    Der 9. April 1995 war und ist für mich der bitterste Tag als Sportfan. Aus dem Traum, einmal in Landshut mit "meinem" EVL die deutsche Meisterschaft feiern zu dürfen, wurde ein Alptraum. Alles hatte ich für einen Triumph in diesem finalen Finale gegen Köln getan: Selbst einen (sehr spärlichen) Playoff-Bart hatte ich abergläubisch sprießen lassen, was mir von Schulkameraden mitleidig-spöttische Bemerkungen eingetragen hatte. An mir sollte der Titelgewinn nicht scheitern. Exakt 41 Minuten und 18 Sekunden durfte ich im fünften Finale darauf hoffen, dass sich mein bescheidener Beitrag auszahlen würde. Bis dahin stand es 0:0, alles war noch drin für den EVL - auch wenn das Team kräftemäßig aus dem letzten Loch pfiff. Aber die Hoffnung stirbt ja zuletzt. Als Totengräber hat sich dann ein Russe namens Sergej Berezin in mein Gedächtnis eingebrannt. Der traf zum 0:1. Und bei meinen Helden brachen alle Dämme. 0:4 stand es am Ende, der schöne Meisterpokal war futsch. Mit dem tollten stattdessen die Kölner Spieler herum. Die EVL-Cracks dagegen standen tiefenttäuscht daneben. Und mir war zum Heulen.
    Heute weiß ich: Niederlagen wie diese sind es, die Siege süß schmecken lassen. Wie schön es ist, beim Erzrivalen einen Titel zu gewinnen, durfte ich 2012 erleben: In Rosenheim holte der EVL die Zweitliga-Meisterschaft, ich war als Reporter dabei. Das Glücksgefühl werde ich nie vergessen. Gleiches gilt aber für den 9. April 1995. Dieser Schmerz bleibt. Johannes Viertlböck


    Aus der Landshuter Zeitung vom 18.04.2015